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Das langsame Sterben der Eltern

Noch während ich den Titel schreibe, sträubt sich alles in mir. Meine Eltern und sterben? Nein, doch jetzt noch nicht.

Älter werden

Ja, sie werden heuer 89 und scheinen körperlich ca. 5 Jahre jünger. Sie leben in der eigenen Wohnung und gestalten ihren Alltag weitestgehend alleine. Beim Putzen werden sie wöchentlich unterstützt, ihre Einkäufe erledigen sie ebenfalls weitestgehend alleine. Lediglich im Winter, wenn Glatteis und Kälte das Radfahren verbieten, nehmen sie den Lieferservice für Obst, Gemüse, Käse und andere Leckereien in Anspruch und die Familie besorgt den Rest und hilft in logistischen Fragen. Und doch… Seit dem letzten Lockdown ist es offensichtlich. Die fehlende Möglichkeit regelmäßig in die Wirbelsäulengymnastik oder das Fitness-Studio zu gehen macht sich bemerkbar. Die ärztlich verordneten Krankengymnastik-Einheiten sind gut, aber auch in sozialer Hinsicht kein Ersatz. Und so lässt es sich nicht übersehen, sie werden alt. 

Papa

Die zunehmende Vergesslichkeit meines Vaters ist für meine Mutter eine tägliche Herausforderung. Auch in seiner Körperlichkeit sehe ich eine deutliche Veränderung. Richtig groß und schwer war er ja nie, dennoch habe ich den Eindruck, dass sein Körper immer weniger wird. Und manchmal schläft er. auf der Couch sitzend, einfach ein. Das zu sehen erfüllt mich oft mit Wehmut, aber immer mit Liebe. Mein Vater liebt es mit dem E-Bike ausgedehnte Touren zu unternehmen. Doch ein Sturz im Mai vergangenen Jahres, nach dem Papa reanimiert werden musste und eine Woche im Klinikum war, verbot das Radeln erst einmal. Mit viel Training und Krankengymnastik und anderen ReHa – Maßnahmen konnte er das Radeln im vergangenen Herbst wieder beginnen. Nun kommt der Frühling und die Lust wieder Touren zu unternehmen steigt. Gemeinsam sind wir als Familie dabei eine Lösung zu finden, die ihm Touren mit dem geliebten E-Bike ermöglicht, ohne ihn unnötig zu gefährden. Es wird wohl auf begleitete Ausflüge mit meiner Schwester und anderen Familienmitglieder hinauslaufen. In der Stadt und zum Einkaufen bleibt dann sein „normales“ Fahrrad. Nun könnte man sagen, dass er und wir froh sein können, dass er überhaupt noch radeln kann. Ja, das stimmt, aber die erneut reduzierte Freiheit ist ein Verlust, für Papa, der ihn schmerzt. Diesen Schmerz zu sehen tut auch uns weh. Und uns stellt sich die Frage, wieweit dürfen und ab wann müssen wir uns einmischen, zu seinem Wohl?

Mama

Auch meine Mutter, die sich früher um so viele Menschen und Dinge gekümmert hat, ist ebenfalls sehr schnell erschöpft. In dem Maß, wie ihr Ruhebedürfnis wächst, wird ihr Radius kleiner. Sie hat gelernt für sich zu sorgen, doch unsere gemeinsamen Unternehmungen werden weniger. Und damit die Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse. Es gilt neue Wege der Begegnung und des Zusammenseins zu finden. Eine Möglichkeit ist die wöchentliche Atembehandlung, die ich meiner Mutter gebe. Unsere Nähe vertieft sich und Mama genießt die Entspannung und Erholung, die sich während der Behandlung einstellt. So bleiben wir in gutem Kontakt und finden neue Wege miteinander zu sein oder gestalten alte Wege neu. Deshalb hoffen wir, dass wir auch in diesem Jahr wieder einen gemeinsamen Urlaub auf unserer Lieblingsinsel Rab verbringen dürfen.  Im Bewusstsein, dass es ein großes Geschenk ist, wenn Eltern in dieser Art und Weise alt werden dürfen.

Und Sie?

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